Rezension

Hofer, Herbert G.: Höhlen als frühe Observatorien. Die Entschlüsselung des Labyrinths? - 64 Seiten, 20 Abbildungen. Heimsheim (Jost-Jetter Verlag) 1996. (ISBN 3-931-388-06-9. Unverbindliche Preisangabe: DM 19,80).


Thomas Rathgeber
Wer als Höhlenkundler Freude hat an "Geheimlehren" oder "Menschheitsrätseln", mag mit Gewinn H. G. Hofers Schrift zur Hand nehmen, die solche Themen behandelt. Man findet darin nämlich zahlreiche Versuche, in die Nutzung von Höhlen durch den Menschen noch mehr Mysteriöses hinein zu deuten als dem Themenkomplex ohnehin schon innewohnt. Wenn dabei mehrfach die von Menschen der Vorzeit genutzten Höhlen, also durch natürliche Vorgänge gebildete Hohlräume (Brillenhöhle, Geißenklösterle, Hohler Fels bei Engen, Stadel im Hohlenstein), und die von Menschen durch Bergbau geschaffenen künstlichen Hohlräume (Felsenkirche Sankt Salvator in Schwäbisch Gmünd samt den Anlagen in ihrer Nachbarschaft) sowie die im Hochbau erstellten, den Höhlen nur nachempfundenen Bauten wie Ganggräber (New Grange in Irland) nicht scharf voneinander getrennt werden, ist das ein Problem, das häufig entsteht, wenn mit geisteswissenschaftlichem Ansatz Höhlen "erforscht" werden.

Über weniges nur läßt sich trefflicher spekulieren als über die menschlichen Fähigkeiten, Sitten und Gebräuche in der Vorzeit. Dies gilt für die Altsteinzeit ganz besonders, mehr als für alle späteren Zeitabschnitte - man denke bloß an den seit langem wissenschaftlich belegten Bärenkult, den leichtfertig, aufgrund von Spekulationen, in Frage zu stellen, Mode geworden ist. Auch bei H. G. Hofer bleiben die ermittelten "Fakten" meist im Dunstkreis der Spekulation. Auffallend ist, daß auf eine bestimmt vorgetragene Feststellung, wie "Höhlen, die zur Sonnenbeobachtung genutzt wurden, finden sich auch in Baden-Württemberg", sogleich Einschränkungen folgen, wie: "dürften auch", "wahrscheinlich wurde", "waren vermutlich", "lassen auf ... schließen", "sprechen für" (S. 27). Geradezu abenteuerlich wird die Argumentation, wenn man erfährt, daß der "wohlgeformte untere Tordurchbruch im Bruckfelsen vom Geißenklösterle" und noch etliche andere "Höhlen, die oft mit ,Hohler Fels', ,Hohler Stein' o. ä. bezeichnet werden", die optimale Form einer "Observatoriumshöhle" haben sollen, "da es doch sehr unwahrscheinlich erscheint, daß die Natur gerade an diesen, für astronomische Messungen so geeigneten Stellen genau solche dafür passende Formen in solcher Vielzahl hervorgebracht haben soll" (S. 25f). Demnach wäre also nicht das Wirken der unter- wie oberirdisch angreifenden chemischen und mechanischen Verwitterung mit den ihr zugrunde liegenden Naturgesetzen für die heute vorliegenden Formen verantwortlich, sondern Menschen hätten sie willentlich geschaffen oder zumindest angepaßt!

Wie H. G. Hofer zu seinen Vermutungen kommt, sei am Beispiel des Großen Schulerlochs im Altmühltal aufgezeigt, wo ich auf einer Exkursion im Frühjahr 1996 seinen Erkenntniszuwachs unmittelbar miterleben konnte. Angesichts des oberhalb der Höhle liegenden "Tempels der Natur", der einst von einem Freimaurer zu Ehren der Göttin Isis als Pavillon errichtet worden war, und aufgrund der Sage von einer Druidenschule war für ihn klar, daß der kuppelartige "Druidensaal" des Schulerlochs himmelskundlichen Beobachtungen gedient haben muß. Daß keine Öffnungen "in Richtung Südosten" vorhanden sind, stört Hofer in seiner Publikation nicht - sie könnten ja noch gefunden werden. Daß angeblich Ergebnisse der alten Ausgrabungen, die vor allem die altsteinzeitlichen Kulturschichten betrafen, noch nicht veröffentlicht sind, wertet Hofer als Bestätigung seiner Theorie - und kreidet gleichzeitig der Exkursionsleiterin an, daß sie "auf Bedeutsames" nicht eingegangen sei. Ganz ähnlich war es zuvor schon meinem Stuttgarter Kollegen Dr. Manfred Warth ergangen, dessen Ausführungen zur menschlichen Höhlennutzung in Warth (1980) von Hofer als unqualifiziert abgetan wurden, weil ein Hinweis auf die von ihm angenommene Eignung der Höhlen zur Himmelsbeobachtung fehle (Hofer 1993).

Einig gehen kann man mit H. G. Hofers Ansichten zum raschen "Vergessen" früherer Bräuche und Fertigkeiten sowie der Orte, an die sie gebunden waren. So ein Verlust kann nämlich recht schnell vor sich gehen (bei dem Komplex der "Nachgeburtsbräuche" zum Beispiel innerhalb weniger Generationen). Ob man daraus gleich auf eine Geheimlehre schließen darf, sei dahingestellt. Denn auf der anderen Seite wird bei Deutung der in Fels gravierten "Spiralzeichen" als Markierungen von Sonnenständen eine über Jahrhunderte bestehende Tradition gefordert. Im Fall des "Spiralenkleeblatts" von New Grange hätte sie sogar über ein Jahrtausend gehen müssen, denn nur dann hätten sich, bedingt durch Erdachsenschwankungen, gleich drei solche Spiralen ergeben können (falls diese Deutung der Zeichen überhaupt zutreffend ist). Derart gegensätzliche Annahmen für das Bestehen vorzeitlicher Bräuche scheinen mir nicht nur inkonsequent, sondern auch unzulässig zu sein.

Auf die sehr gewagte und - meiner Ansicht nach - unnötig komplizierte Herleitung des Wortes Labyrinth bzw. seiner Bestandteile "Lab-yr-inth(os)" sei abschließend noch hingewiesen. H. G. Hofers Deutung als "Sonnenaufgangsmeßort" wirkt willkürlich beziehungsweise voreingenommen - "entschlüsselt" wird auf diese Weise gar nichts.

Da H. G. Hofer in seiner neuesten Veröffentlichung mehrfach auf sein vorhergehendes Werk, nämlich Hofer (1991) verweist, sei dieses nachstehend zusammen mit den weiteren oben angeführten Titeln ausführlich zitiert. Das dem Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Baden-Württemberg zur Besprechung übergebene Exemplar deponiere ich in der Bibliothek der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst Stuttgart. Dies geschieht im Einverständnis mit der Vorsitzenden des Landesverbands, die selbst schon einmal in diesen Verbandsmitteilungen auf H. G. Hofers frühere Schrift hingewiesen hat (Lay 1996). Das neue Büchlein kann selbstverständlich - gegebenenfalls zusammen mit dem Titel von 1991 aus dem Besitz des Rezensenten - von Interessierten auch ausgeliehen werden.

Zitierte Literatur:
Hofer, Herbert G.: Himmelskunde in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Eine vergessene Geheimlehre. - 95 S., 38 Abb. Stuttgart (Schwäbische Wirtschaftsberatung) ohne Jahr [1991].
Hofer, Herbert G.: Höhlen als steinzeitliche Observatorien. - Mitteilungen des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher, Jg. 39, Nr. 4, S. 80-82, 2 Abb.; München 1993.
Lay, Angelika: [Im Februar ging mir eine Publikation ... zu (Literatur).] - Verbandsmitteilungen, Der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung informiert seine Mitglieder, Nr. 4, S. 17; Stuttgart 1996.
Warth, Manfred: Höhlen. - Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, Nr. 13, 45 S., 32 Abb.; Stuttgart 1980.


Thomas Rathgeber,
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Letzte Änderung: 14.01.2000
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